Diskussionsveranstaltung mit Julia (Antifa-Referat ÖH Wien)
Donnerstag, 6. Juni 2019, 19:30 Uhr, AZ Wuppertal, Markomannenstraße 3, Elberfeld
Als wir die Veranstaltung mit Julia geplant haben, war noch keine Rede vom „Ibiza-Video“ mit Heinz-Christian Strache. (Wir gehörten nicht zu jenen, die schon vorab informiert waren.) Ein Ende der rechten Regierung in Österreich aus ÖVP und FPÖ schien in weiter Ferne zu liegen. Mit unserem Gast aus Wien wollten wir über die Herausforderungen diskutieren, denen sich die Antifa ausgesetzt sieht, wenn Rechtsradikale nicht mehr nur indirekt Diskurse und politische Entscheidungen bestimmen, sondern Machtpositionen des Staates direkt besetzen. Am Ziel der Veranstaltung hat sich nichts geändert. Im Umfeld zunehmenden Drucks von rechts stellen sich durch das eher zufällige vorläufige Ende einer Regierung für antifaschistische Akteure schließlich keine ganz neuen Aufgaben. Im Gegenteil; Julia schrieb uns: „Die Situation für antifaschistische Arbeit ändert sich dadurch freilich wenig, es ist allerdings noch unberechenbarer geworden.“
Unberechenbar heißt auch, dass bei den aktuellen Entwicklungen im Nachbarland ein Ankündigungstext keine Halbwertzeit hat, die bis zum Abend der Veranstaltung reicht. Weder ist klar, wie die – nach den Rücktritten der FPÖ-Minister*innen und dem Mißtrauensvotum gegen Sebastian Kurz – installierte Interimsregierung agieren wird, noch sind bisher alle Aspekte des vorangegangenen Skandals bekannt. Es ist auch nicht abzusehen, wie erfolgreich die antisemitisch eingefärbte Selbstdarstellung der FPÖ als Opfer im Hinblick auf die Neuwahl im September sein wird. Die Ergebnisse der Europawahl in Österreich machen da wenig hoffnungsfroh.
Dagegen tritt es etwas in den Hintergrund, dass die bisherige Politik der ÖVP/FPÖ Regierung bis heute durch Sebastian Kurz hochgelobt wird. Das Profil der jetzt gescheiterten Regierung ist knapp beschrieben: Die CDU/CSU-Schwesterpartei ÖVP hatte sich im Ende 2017 die ökonomischen Schlüsselministerien geschnappt, die rechtsradikale FPÖ stellte hingegen mit Herbert Kickl den Innenminister, erhielt Zugriff auf das Verteidigungs- und Sozialministerium und auf das für den Umgang mit Geflüchteten zuständige Ressort. Anderthalb Jahre genügten, das Land damit erheblich zu verändern.
Beim Umgang mit Geflüchteten wurde nicht gezögert, lange von der FPÖ propagierte rechte Träume zu erfüllen und die Lebensbedingungen von Asylsuchenden und Migrant*innen in Österreich drastisch zu verschärfen. Quasi im Gegenzug war es der ÖVP möglich, eine von der Kapitalseite geforderte Stutzung von Arbeiter*innenrechten und soziale Kürzungen umzusetzen. Und spätestens mit der Razzia im österreichischen Verfassungsschutz Anfang 2018, bei der die dem Innenminister unterstehende Polizei 40 Gigabyte sensibler Daten mitnahm, wurde klar, dass in die Hand rechter Politiker*innen geratene Sicherheitsapparate eine elementare Gefahr darstellen.
Für österreichische Antifaschist*innen stellen sich in dieser Lage neue Anforderungen. Antifaschismus als Haltung und Handlung sind Konstanten, die historisch in bestimmten Situationen mal offensiv, dann wieder zunehmend defensiv gelebt und umgesetzt werden können. Antifa ist immer auch eine Suche nach der richtigen Reaktion auf die jeweilige Formierung der Faschisten. In Österreich wie in Deutschland können Antifaschist*innen in dieser Beziehung auf einen besonderen (und schmerzhaften) historischen Schatz an Erfahrungen zurückgreifen, dessen wichtigste Erkenntnis ist, dass es antifaschistischen Widerstand auch unter den schlimmsten Bedingungen immer gab.
Doch was sagt uns das 2019? Wie sollen wir heute reagieren? Welche Erfahrungen haben österreichische Genoss*innen unter dem Druck einer protofaschistischen Regierung gemacht? Lassen sich vorhandene Strukturen aufrechterhalten oder ist eine Reorganisation notwendig? Hätten vor der Nationalratswahl 2017 andere Strategien gewählt werden müssen? Und auf welche Bündnispartner kann die Antifa setzen, wenn die bürgerlichen Parteien eine gemeinsame Agenda mit Rechten umsetzen und der Widerstand der Zivilgesellschaft dagegen nur gering ausfällt? Für uns in Deutschland ergeben sich aus ihren Erfahrungen eigene Fragen: Inwieweit ist die Situation in Österreich und Deutschland eigentlich vergleichbar? Was können wir in einer Situation, in der (noch) keine offen rechte Partei mitregiert, von unseren Genoss*innen lernen? Und nicht zuletzt: Welche Unterstützung ist in einer derartigen Lage von außen notwendig? Was könnten wir von hier aus leisten?
Dass unsere Veranstaltung durch die Entwicklungen neue Aktualität gewonnen hat, freut uns natürlich auf ganz vielen Ebenen. Mit Julia vom Antifa-Referat der ÖH Wien wollen wir die aktuellen Fragen natürlich berücksichtigen, die grundsätzlichen strategischen Überlegungen dabei jedoch nicht aus den Augen verlieren. (Julia ist bei Twitter: Antifa-Prinzessin; @_schwarzeKatze)
Antifa heißt vorbereitet sein! Österreich, was geht?
Donnerstag, den 6. Juni im Autonomen Zentrum Wuppertal. Beginn 19:30 Uhr, Eintritt frei.
Eure Beteiligung an unserem Gespräch ist unbedingt erwünscht.
Ihr könnt bereits vorab Fragen an Julia stellen. Dafür haben wir eine E-Mail-Adresse eingerichtet. Fragen, die bis Donnerstagmorgen bei uns eingehen, können wir bei der Diskussion berücksichtigen.
Die E-Mail-Adresse lautet: oesterreich-was-geht@so-ko-wpt.org
Mit dieser Veranstaltung setzen wir nach einer Pause unsere Reihe „Politik in der Rechtskurve“ fort.